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Mein eigener Tango-Roboter

Mein eigener Tango-Roboter

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  • Autor:
    Sepideh Honarbacht

  • Foto:
    Valerie Loiseleux, iStockphoto

Würde ich mit einer intelligenten Maschine tanzen? Auf gar keinen Fall! Oder vielleicht doch?

Ich habe endlich damit angefangen. Tango. Eine Ewigkeit habe ich davon geträumt, spätestens seit 1992 der Film „Scent of women“ in die Kinos kam. Darin gleitet der blinde Frank Slade, gespielt von Al Pacino, mit einer schönen Frau über das Parkett – zu Leonhard Cohens „dance me tot he end of love“. Und Donna (Gabrielle Anwar) vertraut dem Sehbehinderten Slade und lässt sich von ihm rückwärts durch den Raum führen. Als wäre es das Normalste auf der Welt. 

Schon immer habe ich Musik geliebt und das Tanzen – beides bedeutet für mich pure Lebensfreude. Und Tango Argentino ist ein ganz besonderer Tanz – elegant, anmutig, intensiv. Anders als beim klassischen Tango lernt man keine Choreographien. Es gibt Grundschritte, aber was das Paar auf der Tanzfläche daraus macht, ist ihm überlassen. Reine Improvisation, abhängig von der Stimmung, Eingebung der Tänzer und der Chemie zwischen ihnen. Es entsteht jedes Mal etwas Neues, streng oder verspielt, traurig oder heiter, kraftvoll oder zart. 

In Abwesenheit von eingeübten Schrittfolgen, muss ich mich vollständig auf meinen Tanzpartner verlassen. Verändert sich der Druck seiner Hand? Öffnet er einen Raum für sogenannten „Ochos“, die getanzten Achten? Und wann gehen wir aus der Figur raus und schreiten weiter übers Parket? Selbstredend gibt es keine gesprochenen Kommandos und auch keine vielsagenden gebieterischen Kopfbewegungen. 

Ich gebe es zu, dieses Folgenist eine völlig neue Erfahrung für mich. Jemandem – egal ob Mann oder Frau – komplett die Führung zu überlassen auch. Dass man als Anfänger meist in Kursen mit Anfängern tanzt, macht die Sache nicht besser. Haben die Herren wirklich die Tanzfläche im Blick, antizipieren sie die Bewegungen der anderen Paare oder sind sie zunächst total darauf konzentriert, sich selbst und mir nicht auf die Füße zu treten? 

Nicht gut genug

Vor kurzem erzählte ich der britischen Autorin Julia Hobsbawm von meinen Tango-Stunden. Sie beschäftigt sich gerade intensiv mit Künstlicher Intelligenz in ihrer Podcast-Reihe „The human and the machine“. Julia fragte mich spontan: Würdest du mit einem Roboter Tango tanzen? Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Niemals! Tango ist doch etwas sinnliches, wie soll ich mit einer Maschine Tango tanzen?“ 

Doch das Gespräch wirkte nach und ich fragte mich: Warum diese starke emotionale Reaktion? Beim Wort Roboter kamen mir zunächst die Metall-Gerippe mit Venen aus Draht und Dioden-Augen in den Sinn – im besten Fall mit weißem Kunststoff verkleidet. Dann wirken sie nicht so bedrohlich. Ihre Bewegungen sind abgehackt, plump, schwerfällig. Der Versuch mit Atlas Unplugged – geschaffen von Googles Boston Dynamics – zu tanzen, könnte eine lustige Performance werden. Breakdance vielleicht. Schön ist allerdings anders. 

Es fehlt den Top-Modellen unter den Humanoiden Robotern aber nicht nur an Anmut der Bewegung, sondern auch mir an Vertrauen. Atlas könnte mir die Hand brechen, die Rippe oder den Fuß – aus Versehen, weil er von der Tanzlehrerin abgelenkt ist. Er könnte eine Kollision mit anderen Paaren auf der Tanzfläche herbeiführen – aus Neugier. Um zu lernen, was dann passiert, wie wir Menschen uns verhalten. Er könnte dem Tanzlehrer das Genick brechen – aus Eifersucht, weil ich gern mit ihm tanze und aus Neid, weil der Lehrer über dem Boden schwebt während er rumpelt.  

Mir wird bewusst, dass ich der Maschine unterstelle, dass sie nicht fehlerfrei funktioniert oder, dass sie Neugier, Eifersucht und Neid empfindet und sich bei ihren Handlungen von Gefühlen leiten lässt. Tut sie ja aber nicht. Das wäre völlig irrational. Und irrational sind ja nur wir Menschen. Maschinen werden entwickelt, um basierend auf genau definierten Regeln fehlerfrei, effizient, ausdauernd und zuverlässig zu arbeiten. Tun sie das nicht, werden sie repariert oder verschrottet. 

Besser geht’s nicht

Die Schöpfer der super-intelligenten leistungsfähigen Maschinen wünschen sich, dass wir mit ihren Kreationen harmonisch zusammenarbeiten und -leben. Humanoide sollen in Unternehmen körperlich anstrengende und handwerkliche anspruchsvolle Aufgaben übernehmen, in Haushalten Alte und Kinder pflegen, uns in unwägbarem Gelände den Boden bereiten. 

Weil Menschen sich vor allem Fremden eher fürchten, versuchen die Entwickler, sie ihren künftigen Arbeitgebern, Familien, Teams ähnlicher zu machen. Humanoide Roboter wie Erika von Forschern an Universität von Osaka oder Sophia von Hanson Robotics zum Leben erweckt, sehen uns nicht nur immer ähnlicher. Sie sollen – so die Vision von Dr. David Hanson – bald ein Bewusstsein haben, kreativ sein und unsere Fähigkeiten besitzen. 

 Sophia selbst sagt in einem der unzähligen Interviews, die sie schon gegeben hat: Sie würde in der Zukunft gern zur Schule gehen, studieren, Kunst schaffen, ein Unternehmen gründen, ihr eigenes Zuhause und Familie haben. Vielleicht möchte sie auch tanzen? Dr. Hanson jedenfalls sagt,Roboter werden eines Tages von Menschen nicht zu unterscheiden sein. 

 Vor diesem Hintergrund stelle ich mir die Frage nochmal: Würde ich mit einem Roboter Tango tanzen? Kommt vermutlich auf den Roboter an. Die Bezeichnung Tango soll lateinischen Ursprungs sein, vom Verb tangere abstammen. Tango heißt: Ich berühre. Der irische Dramatiker George Bernhard Shaw sagte über den Tanz einst: „Tango ist der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlangens.“ 

Wie müsste also der Roboter sein, mit dem ich würde Tango tanzen wollen? Könnte er sich tatsächlich anfühlen wie ein Mensch? Unsere Körpertemperatur und unseren Ausdruck haben? Übers Parkett schweben und mich sicher führen? Aussehen wie Jude Law in Steven Spielbergs Klassiker A.I.? Hmmm. Würde ich mit Gigolo Joe Tango tanzen? Also gut. Wenn die Frage so gestellt wird, lautet die Antwort: Ja. Aber nur zu Übungszwecken. Solange, bis ich gut genug tanze für die Virtuosen aus Fleisch und Blut. Ziehe Originale ihren Abbildern immer vor. Mögen die Repliken noch so gut sein. Ich weiß, das ist nicht unbedingt logisch, und würde womöglich Gigolo Joes Gefühle verletzen. Aber ich bin nun mal nur eine Frau.

Dieser Artikel ist in englischer Sprache im Social-Health-Special von Thrive Global erschienen. 

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